Kollektiv BLOK (Ana Kutleša, Ivana Hanaček und Vesna Vuković ): The Art of the Collective – Case Zemlja (2016–2018)

Laudatio: Luise Schröder*. NS-Dokumentationszentrum München, 7. November 2019

But who is BLOK? BLOK is a curatorial collective which was founded in 2001in Croatia. It operates at the intersection of art, urban research and political activism. Over the past 18 years, the collective has designed and produced various projects platforms for collective work of artists, curators, researchers, political activists and anyone interested in the politics of space. 

Since 2016 they also run an artistic and social venue in the Zagreb neighborhood of Trešnjevka, called BAZA. This place is dedicated to the production of contemporary art, to education and to activism in the neighborhood and beyond.

BLOK applied for the Hans-and-Lea Grundig Award 2019 with an outstanding research and exhibition project called: The Art of the Collective – Case Zemlja. It deals with the activities of Zemlja, a left-wing artist association, operating from 1929 to 1935 in the area of Zagreb and in the surrounding towns and villages. It consisted of 34 professional artists, architects, professors, as well as peasants, factory workers, health workers and children. BLOK researched, collected and exhibited various art works and archive materials of Zemlja, that were scattered among many private and public archives and has never been shown to a public before. By mapping the member’s political biographies, their works and their connection to the worker’s movement within three exhibitions in Zagreb, Pula, Petrinja (2016-2018) BLOK made ot possible to re-read Zemlja’s artistic activities and to stress the connectedness of art production and the development of radical social movements within the interwar period in the area. The way BLOK curated and exhibited their research, makes it possible to acknowledge the heterogeneous legacy of Zemlja and to deal with discussions and discourse on antagonisms within collective artistic production in general. A subject which is as topical/important today.

By awarding the Hans-and Lea-Grundig award for art mediation and art history to the BLOK collective the jury wants stress the importance and necessity of BLOK’s work in the field of artistic production, art mediation and political activism in local and international contexts. 

*Luise Schröder konnte aufgrund anderweitiger Verpflichtungen nicht an der Preisverleihung teilnehmen. Ihre Laudatio wurde von Oliver Sukrow gehalten.

Christoph Oeschger: „They’ve Made Us Ghosts“

Laudatio: Eckhart Gillen. NS-Dokumentationszentrum München, 7. November 2019

In der Begründung der Jury wird die Komplexität der fotografischen Arbeit von Thomas Oeschger, geboren 1984 in Zürich, hervorgehoben, mit der er die politischen Dimensionen von Architektur und Raum sichtbar macht. In seiner Bewerbung schrieb er, dass er trotz der Bilderflut auf die Möglichkeit der Kunst hoffe, ein „Stolperstein und deshalb widerständig zu sein, starre Strukturen aufzubrechen und über die Disziplingrenzen eine Wahrnehmung zu verschieben. 

Am Beispiel meiner Arbeit «They’ve Made Us Ghosts» hiess das konkret die gängigen klischeehaften (Presse)Bilder von geflüchteten zu vermeiden und nicht nur eine Opferrolle zu zeichnen sondern die Geschehnisse in konkrete politische Prozesse einzubetten und somit ein anderes Verständnis der herrschenden Verhältnisse zu schaffen.“

Oeschger fotografierte in den letzten drei Monaten vor der Räumung des informellen Flüchtlingslagers, genannt „Dschungel“/Jungle, in Calais am 24. Oktober 2016.  Etwa 10.000 Flüchtlinge waren von der Räumung betroffen. Sie wurden gegen ihren Willen auf andere Unterkünfte verteilt. Ein Bewohner sagt: „Das Leben hier im Dschungel ist etwas für Tiere, nicht für Menschen. Hier will keiner lange bleiben.“

Nach der Räumung entstanden neue, kleinere versteckte Lager in den Wäldern rund um die Autobahn. 

Die Grenzsicherungsmaßnahmen werden von England als Nicht-Schengen-Staat auf französischem Boden um den Hafen und den Eurotunnel herum finanziert. So entstand ein erster innereuropäischer Grenzzaun, der den Brexit vorweg nahm.

Seinen rund 1.330 Aufnahmen und Portraits stellt Oeschgen Bilder von französischen Grenzwachkorps, Überwachungskameras und Sicherheitsarchitekturen gegenüber, um zu zeigen, wie die Menschen, in einer militärisch überformten Landschaft in politischen Machtstrukturen gefangen gehalten werden. Er will das Grenzregime und dessen Repressionsmechanismen in ihrer Komplexität sichtbar machen und die Rolle der fotografischen Bildproduktion und deren strukturelle Bedingungen kritisch hinterfragen. Oeschgen zeigt den prekären Alltag der Bewohner_innen (Haarewaschen mit einem Schlauch, Rasieren und ihre Versuche, sich trotzdem mit fantasievollen Beschäftigungen und Spielen die Zeit zu vertreiben. 

In komplexen Montagen verschränkt Christoph Oeschger die Bilder der Lagerzäune, mit ihren Kronen aus NATO-Draht, die Aufnahmen der Überwachungskameras, die geisterhaften Bilder der Infrarot- und Röntgen-Kameras und die Momentaufnahmen der Flüchtlinge im Lager, die hier als Menschen mit ihren ganz normalen Bedürfnissen in Erscheinung treten, nicht als gefährliche Eindringlinge.

Das Ergebnis seiner Arbeit veröffentlichte Oeschger als Buch mit einem Text des französischen Architekten und Theoretikers Léopold Lambert. Lambert ist Herausgeber des Funambulist Magazines, indem er sich mit den politischen Dimensionen von Architektur und Raum auseinandersetzt. 

Der Titel der Arbeit geht auf die Antwort eines Lagerbewohners auf seine Frage, was für ihn das Schwierigste an seiner Situation sei. Er anwortete: „They made us ghosts“. Die Jury möchte den Künstler ausdrücklich ermutigen, seinen eingeschlagenen Weg weiterzuverfolgen.

7. November 2019
NS-Dokumentationszentrum, München
Verleihung des Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2019

Die Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung verleiht am Donnerstag, den 7. November 2019 im Auditorium des NS-Dokumentationszentrums München den 4. Hans-und-Lea-Grundig-Preis in den drei Kategorien Bildende Kunst, Kunstgeschichte und Kunstvermittlung. Die Preisverleihung findet in Kooperation mit dem NS-Dokumentationszentrum München statt.
Im Rahmen der Preisverleihung wird der Film Exodus auf der Donau (1998) des Regisseurs Péter Forgács in Auszügen präsentiert (vorgestellt vom Bessarabiendeutschen Verein) und von Prof. Dr. Mirjam Zadoff (Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München) und Dr. Eckhart Gillen (Co-Vorsitzender Jury Hans-und-Lea-Grundig-Preis) diskutiert. Die Grussworte sprechen Mirjam Zadoff und Dr. Florian Weis (Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung). Aus Kapazitätsgründen bitten wir um Anmeldung bis zum 01. November 2019 hier.

November 7, 2019
Munich Documentation Centre for the History of National Socialism, Munich
Award Ceremony, Hans and Lea Grundig Prize 2019

On November 7, 2019, the Hans-and-Lea-Grundig Foundation will award the 4th Hans-and-Lea-Grundig-Prize in the three categories Fine Arts, Art History and Art Education. The event is a cooperation with the Munich Documentation Centre for the History of National Socialism and will take place in the Auditorium.
During the award ceremony, the movie Exodus auf der Donau (1998) by director Péter Forgács will be presented to the public and introduced by Prof. Dr. Mirjam Zadoff (Director Munich Documentation Centre for the History of National Socialism) and Dr. Eckhart Gillen (Co-chair of the jury of the Hans-and-Lea-Grundig-Prize). Greeting words are spoken by Mirjam Zadoff and Dr. Florian Weis (Managing Director Rosa-Luxemburg-Foundation). For capacity reasons we ask you to register until 01. November 2019 here.

Hans-und-Lea-Grundig-Preisträger 2019

Der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung ausgeschriebene Hans-und-Lea-Grundig-Preis 2019 wird an die Berliner Künstlerin Dorit Bearach, den Zürcher Fotografen Christoph Oeschger, Ana Kutleša, Ivana Hanaček und Vesna Vuković vom Kollektiv BLOK (Zagreb), sowie an den Kunsthistoriker und Ausstellungskurator Guy Raz (Tel Aviv) vergeben. So entschied die Jury mehrheitlich nach intensiver Diskussion in einer zweitägigen Sitzung am 22. und 23. Mai 2019.

Die Hans-und-Lea-Grundig-Preise 2019 werden am 7. November 2019 im NS-Dokumentationszentrum München vergeben. Nähere Informationen dazu in Kürze hier.

Lobende Erwähnung durch die Jury finden die Einreichungen im Bereich Bildende Kunst von Martin Barzilai, Sonja Hamad und Fides Schopp sowie im Bereich Kunstgeschichte/Kunstvermittlung die Einreichung von Rachel E. Perry. Ausdrücklich lobende Erwähnung verdient Paul Greven (geb. 1934) mit seinem Skulpturenpark und -museum Kunsthof Greven in der Eifel.

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