Jury wählt Preisträger*innen aus

Auszeichnungen in den Kategorien Bildende Kunst und Kunstvermittlung / Insgesamt 97 Beiträge wurden zum Wettbewerb eingereicht

Die Jury des Hans-und-Lea-Grundig-Preises hat drei Preisträger*innen in den Kategorien Bildende Kunst und Kunstvermittlung  ausgewählt. Das Gremium tagte am 26. & 27. Mai 2025 im Max-Lingner-Haus in Berlin. Nach einem intensiven Auswahlprozess unter insgesamt 97 Einreichungen und konstruktiven Diskussionen prämierten die acht Preisrichter*innen unter der Leitung der Co-Vorsitzenden Dorothea Schöne und Klaus Lederer folgende Künstler*innen:

In der Kategorie Bildende Kunst geht der Preis an Cana Bilir-Meier für ihre Skulptur im öffentlichen Raum „Zurückschauen. Stimmen die bleiben“ sowie an Ksenia Galiaeva für ihr multimediales Werk „Unreal estate“. Bilir-Meiers Arbeit ist aus Gesprächen mit Betroffenen rechter Gewalt in Nordrhein-Westfalen erwachsen und inspiriert von der Auseinandersetzung eines argentinischen Künstlerkollektivs mit der dortigen Militärdiktatur von 1976 bis 1983. Galiaeva bezeichnet ihr Werk, das aus Buch, Hörbuch und Videoinstallation besteht, als „autobiografische Fiktion“. Sie wurde 1976 in der Sowjetunion geboren und lebt seit 30 Jahren in Belgien und den Niederlanden.

In der Kategorie Kunstvermittlung wird Henryk Gericke für sein Projekt „Tapetopia“ ausgezeichnet, eine Serie von Musikkassetten und -schallplatten, die sich der Untergrundmusik wie Punk, Postpunk und Avantgarde in der DDR der 1980er Jahre widmet. Gericke wurde 1964 in Berlin-Prenzlauer Berg geboren, wo er auch heute lebt.

In der Kategorie Kunstgeschichte erhält das Projekt „Cambodian exiled artists in East Germany“ von Sarnt Utamachote aufgrund seines Bezugs zu Lea Grundig das Angebot für eine vertiefende Forschungsarbeit im Jahr 2026. Eine lobende Erwähnung wird dem kunstvermittelnden Projekt „ArtISIa“ der Initiative Selbständiger Immigrantinnen (ISI e. V.) zuteil, vertreten durch Cristina Cipolletta.

Kurzbegründungen

Die feierliche Preisverleihung ist für den 2. Dezember 2025 in Berlin geplant.

Jury selects award winners

Prizes in the categories of visual arts and art education / A total of 97 entries were submitted to the competition

The Jury of the Hans and Lea Grundig Award has selected three winners in the categories of visual arts and art education. The committee met on 26 and 27 May 2025 at the Max-Lingner-Haus in Berlin. After an intensive selection process from a total of 97 submissions and constructive discussions, the eight judges, led by co-chairs Dorothea Schöne and Klaus Lederer, honoured the following artists:

In the Visual Arts category, the prize goes to Cana Bilir-Meier for her sculpture in public space „Zurückschauen. Voices that remain“ and to Ksenia Galiaeva for her multimedia work „Unreal estate“. Bilir-Meier’s work grew out of conversations with victims of right-wing violence in North Rhine-Westphalia and was inspired by an argentinian artists‘ collective’s examination of the military dictatorship there from 1976 to 1983. Galiaeva describes her work, which consists of a book, audio book and video installation, as ‘autobiographical fiction’. She was born in the Soviet Union in 1976 and has lived in Belgium and the Netherlands for 30 years.

In the Art education category, Henryk Gericke was honoured for his project „Tapetopia“, a series of music cassettes and records dedicated to underground music such as punk, post-punk and avant-garde in the GDR in the 1980s. Gericke was born in 1964 in Berlin-Prenzlauer Berg, where he still lives today.

In the Art history category, the project „Cambodian exiled artists in East Germany“ by Sarnt Utamachote will receive an offer for an in-depth research project in 2026 due to its connection to Lea Grundig.

An honourable mention goes to the art education project „ArtISIa“ by the Initiative Selbständiger Immigrantinnen (ISI e. V.), represented by Cristina Cipolletta.

Honours

The award ceremony is planned for 2 December 2025 in Berlin.

Auslobung des Hans und Lea Grundig-Preises 2025

Ein Diasporist lebt und malt in zwei oder mehr Gesellschaften zugleich. Diasporistische Kunst ist von Grund auf widersprüchlich, sie ist internationalistisch und partikularistisch zugleich. Sie kann zusammenhanglos sein – eine ziemliche Blasphemie gegen die Logik der vorherrschenden Kunstlehre –, weil das Leben in der Diaspora oft zusammenhanglos und voller Spannungen ist; ketzerischer Einspruch ist ihr tägliches Lebenselixier.

(R. B. Kitaj: Erstes Manifest des Diasporismus, Zürich 1988)

Unter der Schirmherrschaft der Rosa-Luxemburg-Stiftung wird in Erinnerung an Hans Grundig (1901–1958) und Lea Grundig (1906–1977) der gleichnamige Preis für künstlerische, kunsthistorische und kunstvermittelnde Leistungen vergeben. Schirmherrin und Jury sind sich dabei der komplexen und widersprüchlichen Werk- und Lebensgeschichten der Namensgeber*innen bewusst.1

Die Gesamtdotierung beträgt 10.000 € und kann auf die drei folgenden Kategorien aufgeteilt werden. Mit dem Preisgeld sollen realisierte Arbeiten prämiiert werden.

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Kunstschaffende im Rampenlicht

Hans und Lea Grundig-Preis in Berlin verliehen / Ausstellung „Kunst als Widerspruch“ bis März 2023

Am Donnerstagabend (10. November 2022) ist in Berlin feierlich der Hans und Lea Grundig-Preis an Kunstschaffende aus dem In- und Ausland verliehen worden – erstmals im neuen Gebäude der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in der Straße der Pariser Kommune. Zugleich fand die Eröffnung der Foyerausstellung „Kunst als Widerspruch“ statt.

RLS-Vorstandsvorsitzende Dagmar Enkelmann wies in ihrer Begrüßungsrede vor rund 50 Besucher*innen in der Bibliothek auf die bildungspolitischen Bezüge der preisgekrönten Werke wie Antirassismus und -kolonialismus, linke und jüdische Geschichte sowie feministische Kämpfe der Gegenwart hin. Geschäftsführerin Daniela Trochowski ordnete die Veranstaltung in den Kontext der Kulturarbeit der Stiftung ein und bekräftigte das Ziel, den Hans und Lea Grundig-Preis im Jahr 2024 erneut zu vergeben. Die Ko-Vorsitzende der Jury, Rosa von der Schulenburg, beleuchtete in ihrem Grußwort die Arbeit des Auswahlgremiums seit 2014 und die Veranstaltungs- und Publikationstätigkeit, die den Preis begleitet.

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Kurzbegründungen

Die Jury des Hans-und-Lea-Grundig-Preises freut sich sehr, Cana Bilir-Meier mit dem Preis in der Kategorie Bildende Kunst auszuzeichnen.

Cana Bilir-Meier (geb. 1986 in München) zeigt in ihren Filmen, Performances und Installationen ein tiefes und kontinuierliches Engagement für die Auseinandersetzung mit den drängendsten Fragen unserer Zeit mittels visueller und textlicher Mittel.

In ihrer jüngsten Ausstellung “Stopp. Zuhören. Begegnen”, kuratiert von Chana Boekle, realisierte Bilir-Meier in Zusammenarbeit mit der HSD – Hochschule Düsseldorf, lokalen Initiativen und Anwohnerinnen eine temporäre öffentliche Skulptur in Dortmund. In dieser Arbeit greift sie die ästhetische Sprache von Verkehrsschildern auf, um Opfern rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt Raum im öffentlichen Raum zu geben.

Die Jury hebt insbesondere Bilir-Meiers kraftvolles künstlerisches Engagement für gesellschaftliche und politische Themen in Deutschland sowie ihr einzigartiges Werk an der Schnittstelle von Kunst und Aktivismus hervor. Bilir-Meier steht seit über einem Jahrzehnt für ein persönliches und künstlerisches Engagement von Opfern von Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Gewalt. Als Nichte von Semra Ertan, die sich aus Protest gegen systemischen Rassismus in Deutschland in Hamburg selbst verbrannte, war Bilir-Meier Mitherausgeberin des zweisprachigen Gedichtbands “Mein Mein Name ist Ausländer | Benim Adım Yabancı’“ (2020), der erstmals Texte von Ertan veröffentlicht, die zu Lebzeiten ungedruckt blieben.
Avi Feldmann/Haleh Redjajan

Den diesjährigen Preis in der Kategorie Kunstvermittlung hat die Jury Henryk Gericke mit seinem Projekt „tapetopia – GDR Undergroundtapes“ zuerkannt. Gericke, geboren 1964 in Berlin-Prenzlauer Berg, arbeitet seit sechs Jahren an dieser Kassetten- und Schallplattenserie, die eine spezifische Kunstform „in der Nische“, nämlich der DDR-Subkultur der 1980er Jahre, dem Vergessen entreißt.

Als „Untergrundkunst“ entstanden die Aufnahmen von Avantgarde-, Punk- und Postpunk-Bands und -künstlern jenseits der staatlichen DDR-Medienbetriebe und -Vertriebskanäle, privat aufgenommen und auf handelsüblichen Kassetten reproduziert, unter der Hand weitergegeben, unter dem Druck der Verfolgung durch den SED-Sicherheitsapparat. Dem wohnte ein Moment von Kurzlebigkeit und Prekarität inne. Die künstlerischen Netzwerke, Strukturen und Allianzen des „DDR-Underground“ sind durch Ausreisen, Verfolgung und Verbote in den 1980er Jahren weitgehend zerstört worden.

Mit seiner Edition, die er – selbst finanziert, mit Texten in deutscher und englischer Übersetzung – herausgibt, sichert Gericke die Aufnahmen und macht sie einer Auseinandersetzung in Gegenwart und Zukunft zugänglich. Als Künstler, der selbst Teil der Ost-Berliner Subkultur im Prenzlauer Berg war, ist er ausgewiesener Kenner der Materie. Er lenkt den Blick auf einen Aspekt der (ostdeutschen) Musikgeschichte, der oft gerade als Randnotiz erscheint. Die Jury würdigt Gerickes Arbeit als wichtigen Beitrag zur (Sub-)Kulturgeschichte, deren Akteure „ungewollte Kinder des Staates DDR“ waren, auch zur kritischen Auseinandersetzung mit dem gescheiterten staatssozialistischen Versuch.
Klaus Lederer

Honours

The Jury of the Hans and Lea Grundig Prize is delighted to honour Cana Bilir-Meier with the prize in the Visual Arts category. 

In her films, performances and installations, Cana Bilir-Meier (born 1986 in Munich) demonstrates a deep and continuous commitment to addressing the most pressing issues of our time through visual and textual means.

In her latest exhibition „Stop. Listen. Encounter„, curated by Chana Boekle, Bilir-Meier realised a temporary public sculpture in Dortmund in collaboration with the HSD – Hochschule Düsseldorf, local initiatives and residents. In this work, she uses the aesthetic language of traffic signs to give victims of right-wing, racist and anti-Semitic violence a space in public space.

The jury particularly emphasised Bilir-Meier’s powerful artistic commitment to social and political issues in Germany as well as her unique work at the interface of art and activism. For over a decade, Bilir-Meier has stood for the personal and artistic commitment of victims of discrimination, injustice and violence. As the niece of Semra Ertan, who self-immolated in Hamburg in protest against systemic racism in Germany, Bilir-Meier was co-editor of the bilingual poetry collection ‘Mein Mein Name ist Ausländer | Benim Adım Yabancı’’ (2020), which for the first time publishes texts by Ertan that were not published during his lifetime. 
Avi Feldmann/Haleh Redjajan

The jury awarded this year’s prize in the art education category to Henryk Gericke for his project ‘tapetopia – GDR Undergroundtapes’. Gericke, born in 1964 in Berlin-Prenzlauer Berg, has been working for six years on this series of cassettes and records, which rescues a specific art form ‘in the niche’, namely the GDR subculture of the 1980s, from oblivion. 

The recordings of avant-garde, punk and post-punk bands and artists were created as ‘underground art’ outside of the state-run GDR media companies and distribution channels, recorded privately and reproduced on commercially available cassettes, passed on by hand, under the pressure of persecution by the SED security apparatus. There was an inherent moment of ephemerality and precariousness. The artistic networks, structures and alliances of the ‘GDR underground’ were largely destroyed by departures, persecution and bans in the 1980s.

With his edition, which he is publishing – self-financed, with texts in German and English translation – Gericke is preserving the recordings and making them accessible for discussion in the present and future. As an artist who was himself part of the East Berlin subculture in Prenzlauer Berg, he is a recognised expert on the subject. He draws attention to an aspect of (East German) music history that often appears as a side note. The jury recognises Gericke’s work as an important contribution to (sub)cultural history, whose protagonists were ‘unwanted children of the GDR state’, and also to the critical examination of the failed state-socialist attempt. 
Klaus Lederer