Ein vergessenes Talent aus Safed

Leben und Werk des Bildhauers Jussuf Abbo: Online-Vortrag von Grundig-Preisträgerin Dorothea Schöne

Den facettenreichen und zu Unrecht vergessenen Künstler Jussuf Abbo (1888–1953) präsentierte die Leiterin des Kunsthauses Dahlem, Dorothea Schöne, am 2. März 2022 in einem Online-Vortrag. Unter dem Titel „Jussuf Prince of Thebes – Re-constructing the life and work of a forgotten talent from Safed“ ist sie bei der Fritz Asher Society in New York City (USA) zu Gast. Die Gewinnerin des Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2021 in der Kategorie Kunstgeschichte wird dabei auch auf die traumatische Fluchterfahrung des Bildhauers aus Nazi-Deutschland und sein Exil in England eingehen.

Im späten 19. Jahrhundert wurde der Bildhauer Joseph M. Abbo (1888–1953) – der sich später in Jussuf Abbo umbenannte – in Safed, in der Provinz Beirut des Osmanischen Reiches, geboren. Als junger Mann begann er als Arbeiter auf der Restaurierungsbaustelle zu arbeiten, die der Architekt Hoffmann im Auftrag der deutschen Regierung leitete. Abbo fiel auf und wurde schnell ins Zeichenbüro und zur Steinbildhauerei befördert. Ihm wurde ein Stipendium an der Berliner Kunsthochschule angeboten.

Jussuf Abbo kam 1911 nach Deutschland und begann 1913 ein Studium an der Königlichen Akademie der Künste in Berlin. Bis 1919 hatte er ein Meisteratelier an der Preußischen Akademie der Künste. In den 1920er Jahren stellte er in führenden Galerien in ganz Deutschland aus und war ein bekannter Porträtplastiker und Grafiker sowie ein aktives Mitglied der Berliner Avantgarde-Künstlergemeinde. Viele seiner Werke, die teilweise abstrakt sind und den Schwerpunkt auf psychologische Zustände und Emotionen legen, könnten als „expressionistisch“ bezeichnet werden.

Als Person war Abbo extravagant und charismatisch. Viele seiner wohlhabenden und mächtigen Gönner, Kunden und Freunde waren Juden. Er war bekannt für seinen bohemienhaften und exzentrischen Lebensstil, ein exotischer Künstler aus dem Orient, der zeitweise in einem Beduinenzelt in seinem großen Berliner Atelier gelebt haben soll. Er gehörte zum Freundeskreis der expressionistischen Dichterin und Dramatikerin Else Lasker-Schüler, die er mehrfach porträtierte und die ihrerseits ein Gedicht über ihn schrieb.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Abbo mehrfach gebrandmarkt – er war nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches staatenlos, durch seine jüdische Abstammung dem Rassenfanatismus der Nazis ausgesetzt und seine Freundin Ruth Schulz war unehelich von ihm schwanger. Auf dramatische Art und Weise floh das Paar 1935 nach England, wo Abbo seine Karriere nicht fortsetzen konnte.

Jussuf Abbo starb 1953 in seinem Londoner Exil.

Mittwoch, 2. März 2022, 18 Uhr (MEZ). Vortrag in englischer Sprache ohne Dolmetschung.

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