Hans-und-Lea-Grundig-Preisträger 2015
Der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung ausgeschriebene Hans-und-Lea-Grundig-Preis 2015 wird an die Petersburger Künstlerin Olga Jitlina, an die Kuratorin Lith Bahlmann und den Kulturjournalisten Matthias Reichelt (beide Berlin) sowie an ein von der Architekturtheoretikerin Ines Weizman koordiniertes Projekt der Bauhaus-Universität Weimar vergeben. So entschied die Jury am 21. April 2015.
Olga Jitlina — Preisträgerin im Bereich Kunst
Die 1982 in St. Petersburg geborene Video- und Performance-Künstlerin ist ein Kind des sich auflösenden Imperiums der UdSSR. Sie hat gelernt, sich selbst infrage zu stellen, sich vor den Verführungen alter und neuer Glaubenssätze zu schützen und sich so die Schmerzen der Enttäuschung zu ersparen. Dafür entwickelte sie eine humorvolle, interdisziplinäre, poetische künstlerische Sprache, die den Bogen von den Wurzeln der Subkultur bis zu den Blüten der Hochkultur souverän spannt. Olga Jitlina greift zentrale gesellschaftliche Themen der Gegenwart in einer originellen künstlerischen Sprache auf, die mit ihrem großen Interesse für das Leben der «kleinen Leute» sehr subtil und subversiv die Poesie des gelebten Lebens in Kontrast zum leeren Pathos der Machtausübung stellt. Der interdisziplinäre Charakter ihrer Arbeit erfordert Teamwork. Olga Jitlina ist dabei Ideengeberin, Gestalterin und Produzentin in einer Person. Seit 2005 tritt sie immer häufiger in der Öffentlichkeit als Künstlerin auf, hat schnell um sich eine Gruppe gleichgesinnter Künstler versammelt und organisiert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen künstlerischen Medien und Disziplinen.
www.olgajitlina.info
Lith Bahlmann und Matthias Reichelt — Preisträger im Bereich Kunstgeschiche
werden für ihre kunsthistorische Arbeit «Ceija Stojka (1933-2013) – Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz» ausgezeichnet. Die eingereichte Arbeit ist eine erstmalige umfangreiche Erfassung des zeichnerischen und malerischen Werkes der österreichischen Romni Ceija Stojka, die als Kind in die Konzentrations- und Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau, Ravensbrück und in Bergen-Belsen verschleppt worden war und die ab Ende der 1980er Jahre bis 2012 ihre traumatischen Erfahrung während des Holocaust in einem künstlerisch-dokumentarischen Genre verarbeitete. Die dreisprachige (Deutsch/Englisch/Romanes) Monografie von fast 500 Seiten dokumentiert die etwa 250 Blätter umfassenden Tuschezeichnungen aus den Jahren 1990 bis 2012 zusammen mit den poetische Texten Ceija Stojkas. Das Buch von Bahlmann und Reichelt trägt durch die fundierten Recherchen und fachliche Aufarbeitung einerseits, und den sehr persönlichen Zeugnissen andererseits dazu bei, das Wissen über den Genozid an Sinti und Roma und das Bewusstsein für dieses Thema einem größeren Publikum zu vermitteln und in der Gedenkkultur des Holocaust stärker zu verankern.
www.ceija-stojka-berlin2014.de
«Aus dem zweiten Leben. Dokumente vergessener Architekturen» — Preisträger im Bereich Kunstvermittlung ist ein kollektives Forschungs- und Filmprojekt, das im Sommer 2014 an der Bauhaus-Universität Weimar mit Studierenden der Fakultät Architektur und der Fakultät Medien erarbeitet und ausgestellt wurde. Das Projekt verbindet historische Recherchen mit eigener Filmproduktion. Es stellt in vieler Hinsicht ein gelungenes Experiment in der universitären Lehr- und Forschungsarbeit dar. Die Beobachtung von städtischen Räumen, Gebäuden, Plänen und Dokumenten wurde mit der Dokumentation von Lebensgeschichten so verbunden, dass ein weitreichendes wissenschaftliches Netzwerk entstand, das von einer intensiven Literaturrecherche, Anfragen in städtischen und privaten Archiven und Sammlungen bis hin zu schriftlichen Korrespondenzen und Interviews mit Familienangehörigen, Bewohnern, Historikern, Denkmalpflegern und Experten reichte.
www.uni-weimar.de/aus-dem-zweiten-leben