Afraa Batous: „Skin“ (2015)

Laudatio: Rosa von der Schulenburg. Albertinum/Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 8. Dezember 2017

„Skin“ ist ein über mehrere Jahre entstandener Dokumentarfilm von Afraa Batous, der in der Zeit kurz vor dem Krieg in Syrien seinen Ausgang nimmt, als die junge Filmemacherin und ihre Freunde in Aleppo noch als Theaterschauspieler arbeiteten. Es ist der zweite Dokumentarfilm und zugleich der erster lange Film von Afraa Batous. Am Beispiel ihrer beiden Freunde aus der Theatergruppe erzählt sie von den Hoffnungen und Träumen einer jungen syrischen Generation, dem kriegsbedingten Scheitern der Zukunftspläne in der Heimat, dem Aufbruch ins Ungewisse und dem Leben im Wartestand des Exils, das wohl Freiraum für Reflexion und Eigeninitiative bietet, jedoch keine Zukunftsperspektive. 

Der Film setzt ein mit einem an Heiner Müller gerichteten inneren Monolog und arbeitet mit dem Montageprinzip. Medial verfügbares Dokumentarmaterial aus unterschiedlichen Quellen sowie eigene filmische Beobachtungen im sich verändernden Außenraum werden kurz geschlossen mit intimen Sequenzen aus dem Alltag der beiden Freunde. 

Die beiden Protagonisten des Films, Hussein, der Brandredner und Souhbi, der eher unpolitische, trinkfreudige Künstler sowie Afraa selbst, die zurückhaltend verbindende und zugleich katalytische Figur, hatten in Aleppo die Aufführung von Heiner Müllers „Hamletmaschine“ vorbereitet. Doch der Krieg macht ihre Pläne zunichte. 

Die „Hamletmaschine“, ein lediglich neunseitiges Theaterstück, war einst ein Angebot an die intellektuelle Linke der DDR, selbstbewusst und kritisch die eigene Rolle zu reflektieren. Die Introspektion und zugleich das Position-Beziehen nach Außen, die der legendäre Text offeriert und einfordert, ist Stichwortgeber für den Film und findet seinen Widerhall in den Dialogen und Kommentaren der Protagonisten. Symbolische Brechungen erfährt dies etwa in den Versuchen, im Exil ein Stück über eine Flüchtlingsfamilie zu inszenieren und ein Puppentheater zu basteln. Der Zuschauerraum bleibt leer; die Stoffpuppe ist versehrt und stumm. 

Neben zarten, anrührenden Momenten finden sich aber auch solche der Irritation. Etwa wenn in einem Demonstrationszug von noch friedlichen, aber aus westlicher Sicht unkalkulierbar bedrohlich wirkenden männlichen Massen, auch Banner des religiösen Fanatismus zu erkennen sind, oder wenn in einer kriegszerstörten Straße einer der im Staub vor Trümmern hockenden Männer Blut für Blut fordert. 

Die in jeder Hinsicht katastrophalen Verwüstungen können die drei jungen Theatermacher nicht wirklich mit dem Weggang aus der Heimat hinter sich lassen. Der Krieg ist auch im Exil präsent, hat die äußerlich friedliche neue Alltagswelt kontaminiert. Batous arbeitet mit ästhetischen Mitteln, die die äußeren wie inneren Konflikte in ihrer verstörenden Vielschichtigkeit zeigen, die Frage nach dem richtigen Handeln umkreisen und nicht in eindeutigen Antworten auflösen. 

Die Kameraführung, die Verschränkung der Vor- und Rückblenden und Schnitte sind präzise. Der Einsatz von Unschärfe und die Handlungs- und Wortarmut etlicher Sequenzen erscheint überzeugend motiviert. 

Die Protagonisten sind keine Helden. Ihr Reden und Tun mit den Selbstzweifeln und Hader, der hilflosen Wut und handlungsarmen Leerläufen berührt aber gerade dadurch so stark und bringt einem die Katastrophe des Krieges in Syrien näher als Nachrichtenmeldungen dies vermögen. Ein Film, der unter die Haut geht.

Die Filmmacherin lebt und arbeitet inzwischen in Deutschland.