«Die Hälfte, die ich gebe, wird die Hälfte verändern, die ich behalte»

Bernhard, Berger und die Telekom: Bemerkungen über Kunstpreise in einer kapitalistischen Welt

von Ana Kutleša und Vesna Vuković

Auf einem Gebiet, auf dem Konkurrenz auf allen Ebenen herrscht, dient ein Preis als symbolische Bestätigung des Werts und als ultimativer Beleg dessen, was man im hochgradig konkurrenzförmigen System bereits geleistet hat. Wir wissen, dass der Wettkampf sehr früh beginnt: von privatem Kunstunterricht und rigorosen Aufnahmeprüfungen für Kunstschulen, durch die die wenigen Zugelassenen schon unter die Auserwählten eingereiht werden, über den Kampf um die spärlichen Produktionsressourcen – früher in Form von Aufträgen, heute in Form von Projekten, aber auch von Ausstellungsräumen – bis hin zur Selbstbehauptung im Feld, deren endgültige Bestätigung gerade in der Form der Preisverleihung stattfindet. Aber wie hoch ihr symbolischer Wert auch sein mag und wie sehr sie auch als natürliche «Krone» einer künstlerischen Karriere anerkannt werden, so sind Preise doch nur einer der Mechanismen der heftigen Selektion und nur eine der vielen Stufen auf dem Weg zum erträumten Pantheon der künstlerischen Größen. Die Entgegennahme des Preises ist daher immer auch zugleich eine Gelegenheit, etwas aus erster Hand darüber zu sagen, wie der «Weg» zum Gewinn und der künstlerische Alltag aussehen. Wenn schon Künstler*innen als diejenigen gelten, die unsere Wirklichkeit schärfer sehen, die sich ihr nonkonformistisch nähern und sie hinterfragen sowie kühn über Alternativen nachdenken, dann ist es völlig logisch, sich auch zu fragen, wie die Künstler*innen die Preisverleihungen sehen, und besonders, wie sie das sehen, was hinter oder vor ihnen steht.

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Hans-und-Lea-Grundig-Preis 2021

Der Hans-und-Lea-Grundig-Preis geht in diesem Jahr an die Künstler*innen Rajkamal Kahlon (Berlin),  Rudolf Herz (München) und  Natacha Nisic (Paris) sowie an die Kunsthistorikerin Dorothea Schöne (Berlin). Darauf verständigte sich die neunköpfige Jury unter dem Vorsitz von Rosa von der Schulenburg und Eckhart Gillen mehrheitlich nach intensiver Diskussion am 19. Mai 2021 in Berlin.

Lobende Erwähnung finden die Einreichungen der Künstlerinnen Carla Adra (Paris) und der in Birmingham geborenen Jessica Ostrowicz sowie des Kunsthistorikers Peter Chametzky (University of South Carolina, Columbia, USA).

Um den Preis waren mehr als 240 Bewerbungen eingegangen, darunter Arbeiten aus den USA, Israel, der Schweiz, Großbritannien, Norwegen und der Ukraine sowie von internationalen, in der Bundesrepublik lebenden Künstler*innen.

Rajkamal Kahlon wird die Auszeichnung in der Kategorie Bildende Kunst für ihr antirassistisches und kolonialismuskritisches Werk „Die Völker der Erde“ zuerkannt. Rudolf Herz erhält den Preis in derselben Kategorie für sein dreiteiliges erinnerungspolitisches Projekt „Lenin Komplex“.

Natacha Nisic konnte in der Kategorie Kunstvermittlung mit dem kollaborativen Online-Projekt „The Crown Letter“ überzeugen, das während der Corona-Pandemie weltweit Künstlerinnen präsentiert und vernetzt. Dorothea Schöne wird in der Kategorie Kunstgeschichte für ihr biografisches Ausstellungsprojekt über den nahezu vergessenen Berliner Bildhauer Joseph M. Abbo geehrt, der 1935 vor den Nazis nach London fliehen musste und verarmt im Exil verstarb.

Die Preisverleihung war für den 12. Dezember 2021 (Sonntag) im Jüdischen Museum in Frankfurt am Main geplant. Pandemiebedingt kann sie leider nicht stattfinden und wurde in das kommende Jahr verschoben. Informationen zum neuen Termin und dem Veranstaltungsort folgen.

Zur Neuaufstellung und Entwicklung des Preises seit der Übernahme durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung vor zehn Jahren ist die Publikation „Kunst als Widerspruch. Der Hans-und-Lea-Grundig-Preis 2011 – 2021“ [LINK] erschienen.

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Auslobung des Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2021

Unter der Schirmherrschaft der Rosa-Luxemburg-Stiftung wird in Erinnerung an Hans Grundig (1901–1958) und Lea Grundig (1906–1977) der gleichnamige Preis für künstlerische, kunsthistorische und kunstvermittelnde Leistungen vergeben. Bewerbungsende ist der 31. März 2021.

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Jüdische Identität und kommunistischer Glaube
Lea Grundigs Weg von Dresden nach Palästina und zurück nach Dresden

Vortrag von Dr. Eckhart Gillen bei der Fritz Ascher Society (New York)
am 5. August 2020

Der Vortrag erzählt, wie die Tochter des jüdischen Kleider- und Möbelhändlers Moritz Langer das orthodoxe Milieu ihrer Familie verlässt, um an der Kunstakademie Dresden zu studieren. Dort trifft sie den Kunststudenten Hans Grundig. Mit ihm tritt sie 1926 in die Kommunistische Partei Deutschlands ein. Sie wollte von nun an ihre Kunst in den Dienst der Arbeiterklasse stellen.
Nach Rückkehr aus dem Exil in Palästina setzt sie ihre Kunst für die neu gegründeten DDR ein. Dort macht sie Karriere als Professorin und als Präsidentin des Verbandes Bildender Künstler der DDR. In dieser Funktion diente sie der offiziellen Kunstpolitik der SED und unterstützte die «antizionistische» Politik der DDR.
Doch die gläubige Kommunistin Lea Grundig ist nur ein Aspekt ihres Lebens und Werkes. Eckhart Gillen geht auch der Frage nach, wie Lea Grundig mit dem Vorwurf der frühen 1950er Jahre, eine entartete Künstlerin im Sinne der Nazi-Terminologie zu sein und dem in dieser Zeit vorhandenen Bilder- und Erinnerungsverbot an den Völkermord an den Juden, umging. Vortrag hier anschauen

Wir verweisen auch auf den Aufsatz von Eckhart Gillen «Die Kriegsgeneration und der Antifaschismus. Bernhard Heisigs gemalte Traumata im Vergleich mit Franz Fühmanns autobiographischen Versuchen und Gerhard Richters Familienbildern» (siehe auch: ders., «Die Kriegsgeneration und der Antifaschismus. Franz Fühmann und Gerhard Richter im Vergleich mit Bernhard Heisig», in: Eckhart Gillen (Hg.), Die Wut der Bilder, Köln 2005, S. 330–359) Aufsatz hier lesen

Deutschlandfunk Kultur-Feature mit Lea Grundig
In einem aktuellen Feature von Deutschlandfunk Kultur Wie die junge Kunstgeneration auf den sozialistischen Realismus blickt von Natalie Kreisz, welches am 17. Juni 2020 ausgestrahlt wurde, wird auch auf die differenzierte Rolle von Hans und Lea Grundig bei der Formierung der Kunstlandschaft der 1950er Jahre in der DDR hingewiesen. Lea Grundigs Manifest Kunst in Zeiten des Krieges, das während ihres Exils in Palästina entstanden war und von der Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung 2015 zum ersten Mal veröffentlicht wurde, wird von Kreisz als wichtiges zeithistorisches Dokument zum Verständnis der politisch-ästhetischen Auseinandersetzungen in der frühen DDR gewürdigt.