7. November 2019
Verleihung des 4. Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2019
Vor etwa 70 Gästen ist am Donnerstag, den 7. November 2019, im Auditorium des NS-Dokumentationszentrums München der 4. Hans-und-Lea-Grundig-Preis 2019 in den drei Kategorien Bildende Kunst, Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung verliehen worden. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit dem NS-Dokumentationszentrum durchgeführt.

Prof. Dr. Mirjam Zadoff, Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München, Foto: © Orla Conoll

Dr. Florian Weis, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Foto: © Orla Conoll

Dr. Thomas Flierl, Mitglied der Jury des Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2019, Foto: © Orla Conoll

Kathleen Krenzlin, Mitglied der Jury des Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2019, Foto: © Orla Conoll

Dorit Bearach, Gewinnerin des Hans-und-Lea-Grundig-Preises in der Kategorie «Bildende Kunst», Foto: © Orla Conoll

Florian Weis, Dorit Bearach und Kathleen Krenzlin bei der Übergabe der Preisurkunde, Foto: © Orla Conoll

Dr. Eckhart Gillen, Ko-Vorsitzender der Jury des Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2019, Foto: © Orla Conoll

Vesna Vuković vom Kollektiv BLOK, Gewinnerin des Hans-und-Lea-Grundig-Preises in der Kategorie «Kunstvermittlung/Kunstgeschichte», Foto: © Orla Conoll

Vesna Vuković vom Kollektiv BLOK, Gewinnerin des Hans-und-Lea-Grundig-Preises in der Kategorie «Kunstvermittlung/Kunstgeschichte», Foto: © Orla Conoll

Florian Weis, Nina Bacun, Vesna Vuković und Roberta Bratovic vom Kollektiv BLOK sowie Jurysekretär Dr. Oliver Sukrow bei der Übergabe der Preisurkunde, Foto: © Orla Conoll

Prof. Dr. Ines Weizman, Mitglied der Jury des Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2019, Foto: © Orla Conoll

Guy Raz, Gewinner des Hans-und-Lea-Grundig-Preises in der Kategorie «Kunstvermittlung/Kunstgeschichte», Foto: © Orla Conoll

Florian Weis, Guy Raz und Ines Weizman bei der Übergabe der Preisurkunde, Foto: © Orla Conoll

Die Gewinner*innen des Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2019: Guy Raz, Dorit Bearach, Vesna Vuković, Roberta Bratovic und Nina Bacun (v.l.n.r.) Foto: © Orla Conoll

Verleihung des 4. Hans-und-Lea-Grundig-Preises im NS-Dokumentationszentrum München: Mirjam Zadoff, Kathleen Krenzlin, Oliver Sukrow, Guy Raz, Thomas Flierl, Rachel Stern, Dorit Bearach, Vesna Vuković, Rosa von der Schulenburg, Roberta Bratovic, Nina Bacun, Angelika Timm, Ines Weizman und Eckhart Gillen, Foto: © Orla Conoll


Ausgezeichnet wurden die Berliner Künstlerin Dorit Bearach und der Zürcher Fotograf Christoph Oeschger in der Kategorie Bildende Kunst. Bearachs künstlerisches Gesamtwerk wurde von Kathleen Krenzlin (Berlin) gewürdigt, als «intensive Auseinandersetzung mit der hebräischen und deutschen Sprache», was «Form, Farbe und Duktus ihrer Gemälde […] deren Themen persönlicher ebenso wie gesellschaftlich-politischer Natur sind» geprägt haben.

Laudator Dr. Eckhart Gillen (Berlin) präsentierte die Serie They’ve Made us Ghosts (2017) von Christoph Oeschger. In dieser setzt sich Oeschger mit der Situation der Geflüchteten im Lager von Calais/Frankreich auseinander. Seinen Aufnahmen und Portraits stellt er in seinen komplexen fotografischen Arbeiten Bilder von französischen Grenzwachkorps, Überwachungskameras und Sicherheitsarchitekturen gegenüber, «um die Menschen, die Geschehnisse und die militärisch überformte Landschaft konkret in politische Machtstrukturen und -verhältnisse einzubetten», so Gillen.

In der Kategorie Kunstgeschichte/Kunstvermittlung wurde in diesem Jahr das Forschungs- und Ausstellungsprojekt The Art of the Collective – Case Zemlja (2016) des Kollektivs BLOK aus Zagreb und hier stellvertretend die Kuratorinnen Ana Kutleša, Ivana Hanaček und Vesna Vuković ausgezeichnet. In ihrer von Jurysekretär Dr. Oliver Sukrow (Wien) verlesenen Laudatio lobte Luise Schröder (Leipzig) den sozialen Anspruch des Projekts und dessen Idee, «die Mitglieder der Künstlergruppe, ihre Aktionen, Werke und Ausstellungen mit den Methoden einer Netzwerkanalyse zu untersuchen, zu visualisieren und dadurch neue Einblicke in die Position und Bedeutung einzelner Künstler zu erlangen».

Für seine Arbeiten auf dem Feld der israelischen und palästinensischen Fotografiegeschichte wurde der Kurator und Fotograf Guy Raz (Tel Aviv) prämiert. Prof. Dr. Ines Weizman (Weimar) merkte in ihrer Laudatio zur Arbeit von Raz an: «Als Kurator hat sich Raz durch eine Reihe von Forschungen und Ausstellungen zu frühen Fotografien Palästinas seit 1839 verdient gemacht, um diese Entwicklungen mit der landschaftlichen und kulturellen Realität der Gegenwart in Beziehung zu setzen». Die Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung hofft, mit dem Preis Raz‘ Bemühungen, eine Institution zu gründen, die sich der Fotografiegeschichte der Region und dem Austausch zwischen israelischen und arabischen Künstlern und Fotografen widmen soll, unterstützen zu können.

In Erinnerung an die antifaschistischen Dresdner Künstler Hans Grundig (1901–1958) und Lea Grundig (1906–1977) vergab die Rosa-Luxemburg-Stiftung die mit insgesamt 10.000 € dotierte Auszeichnung für künstlerische, kunstwissenschaftliche und kunstvermittelnde Leistungen nach 2012, 2015 und 2017 bereits zum vierten Mal. Sie führt damit den von Lea Grundig im Jahr 1972 der Universität Greifswald selbst gestifteten, dort aber seit 1996 nicht mehr vergebenen Preis fort.

Im Jahr 2012 ging der erste Hans-und-Lea-Grundig-Preis an den Kunsthistoriker Oliver Sukrow (Wien), der sich in seiner Masterarbeit an der Universität Greifswald mit der umstrittenen Funktion Lea Grundigs als Präsidentin des Verbandes der Bildenden Künstler der DDR (1964–1970) historisch-kritisch auseinandergesetzt hatte. 2015 wurden die Petersburger Performance- und Videokünstlerin Olga Jitlina, die Kuratorin Lith Bahlmann und der Kulturjournalist Matthias Reichelt (beide Berlin) für die Publikation Ceija Stojka (1933-2013) – Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz (2014) ausgezeichnet sowie das von der Architekturtheoretikerin Ines Weizman koordinierte Projekt Aus dem zweiten Leben. Dokumente vergessener Architekturen (2014) der Bauhaus-Universität Weimar. Den 3. Hans-und-Lea-Grundig-Preis 2017 erhielten die Künstlerin Heike Ruschmeyer (Berlin) und die aus Syrien stammende Video-Künstlerin Afraa Batous (Nürnberg) in der Kategorie Bildende Kunst. Rachel Stern (New York) wurde mit dem Preis in der Kategorie Kunstgeschichte ausgezeichnet. An das Jüdische Museum Wien und die Kuratorinnen Mag. Andrea Winklbauer und Dr. Sabine Fellner ging der Preis für kunstvermittelnde Arbeiten beim Ausstellungs- und Publikationsprojekt Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen bis 1938 (2016)

Der Jury des nach einer internationalen, mit über 120 Einreichungen international wahrgenommenen Ausschreibung vergebenen Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2019 gehörten als Ko-Vorsitzende die Leiterin der Kunstsammlung der Akademie der Künste Berlin Dr.habil. Rosa von der Schulenburg und der Berliner Kunsthistoriker und Kurator Dr. Eckhart Gillen sowie Dr. Thomas Flierl, Kathleen Krenzlin, Katharina Köpping, Luise Schröder, Dr. Angelika Timm und Prof. Dr. Ines Weizman an.

Die Direktorin NS-Dokumentationszentrums, Prof. Dr. Mirjam Zadoff, sprach zur Eröffnung über die Verbindungen des Werkes von Hans und Lea Grundig mit dem NS-Dokumentationszentrum, wo einige Werke im Rahmen der ersten Sonderausstellung Das Unsagbare zeigen. Künstler als Warner und Zeugen 1914-1945 bereits 2017 zu sehen waren und lobte die enge Zusammenarbeit zwischen dem NS-Dokumentationszentrum München und der Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung. Dr. Florian Weis, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung, würdigte in seiner Begrüßung die Aktivitäten der Grundig-Stiftung seit 2015 und dankte Dr. Thomas Flierl für sein großes Engagement bei der Neuausrichtung des Preises und Oliver Sukrow als Sekretär der Jury. Anschließend skizzierte Dr. Thomas Flierl die Geschichte des Hans-und-Lea-Grundig-Preises seit 2015. In seinem Vortrag erinnerte er daran, dass die Leipziger Fassung von Hans Grundigs Hauptwerk Den Opfern des Faschismus (1946) im Jahr 1947 auf der von Will Grohmann kuratierten Ausstellung Künstler der Ostzone in München u.a. Städten der amerikanischen Besatzungszone gezeigt wurde. Abschließend stellte Kathleen Krenzlin das gemeinsame Forschungsprojekt von Akademie der Künste, Berlin und der Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung vor. Aufbauend auf den Transkriptionen des Berliner Bürgerforschers Klaus Leutner wird Kathleen Krenzlin ab 2020 den gesamten Briefwechsel zwischen Hans und Lea Grundig von Mitte der 1920er Jahre bis 1958 editieren, kommentieren und herausgegeben. Der erste Band der als Trilogie angelegten Veröffentlichung erscheint mit Hilfe der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Im Vorfeld der Preisverleihung wurde zudem der Dokumentarfilm Exodus auf der Donau (1998) des ungarischen Regisseurs Péter Forgács vorgestellt. Er zeigt u.a. die Flucht tschechoslowakischer und österreichischer Juden nach Rumänien – eine Route, die auch Lea Grundig auf ihrer Flucht in Richtung Palästina im Jahr 1940 nahm. Ermöglicht wurde die Aufführung mit freundlicher Unterstützung des Bessarabiendeutschen Vereins, deren Bundesvorsitzende Brigitte Bornemann kurz auf die Entstehungsgeschichte des Films und auf die Bedeutung der Donau als Flucht- und Migrationsraum im 20. Jahrhundert hinwies. Im Anschluss daran diskutierten Prof. Dr. Mirjam Zadoff und Dr. Eckhart Gillen über die ästhetischen und erinnerungspolitischen Dimensionen des Films und regten die weitere Beschäftigung mit den im Film thematisierten Aspekten an.

Im Jahr 2020 wird sich die Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung vor allem mit den publizistischen und kulturpolitischen Aktivitäten Lea Grundigs während ihres Exils im britischen Mandatsgebiet Palästina auseinandersetzen. Dafür sind ein wissenschaftlicher Workshop in Israel und weitere Aktivitäten geplant, die auch in die Preisausschreibung 2021 einfließen sollen.