Verleihung des Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2017

Vor etwa 100 Gästen ist am Freitag, den 8. Dezember 2017 im Hermann-Glöckner-Saal des Albertinums in Dresden der Hans-und-Lea-Grundig-Preis 2017 in den drei Kategorien Bildende Kunst, Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung verliehen worden. Die Veranstaltung führte die bewährte Kooperation zwischen der Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung und der Galerie Neue Meister/Staatliche Kunstsammlungen Dresden bei der Erforschung des Werkes von Hans und Lea Grundig und der sozialkritisch-veristischen Kunst des 20. Jahrhunderts fort, die bereits im November 2016 mit dem gemeinsamen Kolloquium zu Hans Grundig nach 1945 in Dresden erfolgreich realisiert wurde.

Die Preisträgerinnen Afraa Batous, Heike Ruschmeyer, Andrea Winklbauer und Sabine Fellner

Ausführungen von Birgit Dalbajewa zum Neuerwerb Hunger und Liebe (1922) von Erik Johansson

Laudatio für und Preisübergabe an Rachel Stern durch Thomas Flierl. (Foto: Piotr Bialoglowicz)

An Rachel Stern wurde der Preis bereits am 7. Dezember in Berlin übergeben. (Foto: Piotr Bialoglowicz)

Ausgezeichnet wurden die syrische Video-Künstlerin Afraa Batous (Nürnberg) und die Malerin Heike Ruschmeyer (Berlin) in der Kategorie Bildende Kunst. Batous’ künstlerischer Dokumentarfilm Skin (2015) wurde von der Laudatorin PD Dr. Rosa von der Schulenburg (Akademie der Künste, Berlin) als Werk, «das unter die Haut geht» gewürdigt, welches den Bürgerkrieg in Syrien und seine physischen wie psychologischen Auswirkungen eindringlich aus der Perspektive dreier Freunde in Aleppo nachzeichnet.

Laudator Dr. Thomas Flierl (Berlin) lobte das künstlerische Gesamtwerk der Berliner Künstlerin Heike Ruschmeyer. Mit strikter Konsequenz bearbeitet sie das Thema Tod durch Gewalt, Missbrauch und mörderischen Rassismus. Sie versteht ihre Malerei als Forschungsarbeit und Ort des politischen Handelns. Dabei nutzt sie Fotos aus der Gerichtsmedizin, aus Zeitungen und Archiven. «Malerei betrachte ich nicht als Dekoration und nicht als Illustration von Geschichte», äußerte sie in einem Interview. Ruschmeyers Empathie mit den Opfern, den Marginalisierten und Vergessenen ist von höchster Malkultur getragen.

Mag. Andrea Winklbauer und Dr. Sabine Fellner (beide Wien) erhielten den Preis stellvertretend für das Ausstellungs- und Publikationsprojekt Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen bis 1938 (2016) des Jüdischen Museums in der Kategorie «Kunstvermittlung». Gelobt wurde von der Laudatorin Prof. Dr. Ines Weizman (Bauhaus-Universität Weimar) die Grundlagenarbeit sowie die dezidiert feministische Perspektive, die neue Forschungsfelder in der Erforschung der Kunst der Moderne erschließe.

Die Auszeichnung im Bereich «Kunstgeschichte» geht in diesem Jahr an das Buch Leben ist Glühn. Der Expressionist Fritz Ascher (Köln 2016) von Dr. Rachel Stern (New York City) für ihre herausragenden Leistungen in der Erforschung von Leben und Werk dieses heute beinahe vergessenen Berliner Künstlers. Dies hob auch Dr. Angelika Timm (Berlin) in ihrer Laudatio hervor: «Rachel Stern erforscht seit mehreren Jahrzehnten Leben und Werk von Ascher und legt mit der 300 Seiten starken, deutsch-englischen Publikation eine wichtige Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit der deutschen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts im Allgemeinen und dem Schicksal der ‹vergessenen Generation› von Künstlern der Avantgarde im Speziellen.»

In Erinnerung an die antifaschistischen Dresdner Künstler Hans Grundig (1901–1958) und Lea Grundig (1906–1977) vergab die Rosa-Luxemburg-Stiftung die mit insgesamt 10.000 € dotierte Auszeichnung für künstlerische, kunstwissenschaftliche und kunstvermittelnde Leistungen nach 2012 und 2015 bereits zum dritten Mal. Sie führt damit den von Lea Grundig im Jahr 1972 der Universität Greifswald selbst gestifteten, dort aber seit 1996 nicht mehr vergebenen Preis fort.

Im Jahr 2012 ging der erste Hans-und-Lea-Grundig-Preis an den Kunsthistoriker Oliver Sukrow (Wien), der sich in seiner Masterarbeit an der Universität Greifswald mit der umstrittenen Funktion Lea Grundigs als Präsidentin des Verbandes der Bildenden Künstler der DDR (1964–1970) historisch-kritisch auseinandergesetzt hatte. 2015 wurden die Petersburger Performance- und Videokünstlerin Olga Jitlina, die Kuratorin Lith Bahlmann und der Kulturjournalist Matthias Reichelt (beide Berlin) für die Publikation Ceija Stojka (1933-2013) – Sogar der Tod hat Angst vor Auschwitz (2014) ausgezeichnet sowie das von der Architekturtheoretikerin Ines Weizman koordinierte Projekt Aus dem zweiten Leben. Dokumente vergessener Architekturen (2014) der Bauhaus-Universität Weimar.

Der Jury des nach einer internationalen, mit über 180 Einreichungen international wahrgenommenen Ausschreibung vergebenen Hans-und-Lea-Grundig-Preises 2017 gehörten als Ko-Vorsitzende die Kuratorin des Jüdischen Museums Frankfurt am Main Dr. Eva Atlan und der Berliner Kunsthistoriker und Kurator Dr. Eckhart Gillen, sowie Dr. Thomas Flierl, Henning Heine, Prof. Ladislav Minarik, PD Dr. Rosa von der Schulenburg, Dr. Angelika Timm und Tanya Ury an.

Die Direktorin des Albertinums/Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Hilke Wagner, sprach zur Eröffnung über die enge wissenschaftliche Kooperation zwischen den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, der Städtischen Galerie Dresden und der Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung. Dr. Katrin Schäfgen, stellvertretende Geschäftsführerin der Rosa-Luxemburg-Stiftung, würdigte in ihrer Begrüßung die Aktivitäten der Grundig-Stiftung seit 2015 und dankte Dr. Thomas Flierl für sein großes Engagement bei der Neuausrichtung des Preises und Oliver Sukrow als Sekretär der Jury.

Zur Preisverleihung wurde zudem die das 1922 entstandene Gemälde Hunger und Liebe von Eric Johansson der Öffentlichkeit vorgestellt. Erworben werden konnte es für die Sammlung der Galerie Neue Meister aus Mitteln der Max-Lingner-Stiftung und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Die schwedische Honorarkonsulin für Sachsen und Sachsen-Anhalt, Petra Löschke (Leipzig), übermittelte die Grussworte des Schwedischen Botschafters in Deutschland und beglückwünschte die Galerie Neue Meister für die Neuerwerbung als Zeichen der deutsch-schwedischen Verflechtungen im 20. Jahrhundert. Den Festvortrag zu Leben und Werk von Johansson und dessen enge Verbindungen zu Hans und Lea Grundig hielt der Kurator der Städtischen Galerie Dresden, Johannes Schmidt, dem es gelungen war, das Archiv des im schwedischen Exil gestorbenen Johansson ausfindig zu machen. Über die Bedeutung des Bildes für die Dresdner Sammlung an Kunst des sozialkritischen Verismus der Weimarer Republik sprach die Kuratorin Dr. Birgit Dalbajewa (Galerie Neue Meister/Staatliche Kunstsammlungen Dresden).

Im Jahr 2018 wird sich die Hans-und-Lea-Grundig-Stiftung wie auch schon 2016 inhaltlich mit Leben und Werk der Namensgeber auseinandersetzen. Dafür sind ein wissenschaftliches Kolloquium und weitere Aktivitäten geplant, die auch in die Preisausschreibung 2019 einfließen sollen.